Eine antifaschistische Recherchegruppe hat eine ausführliche Broschüre u.a. über die Verstrickungen von „Blood & Honour“ und dem NSU veröffentlicht. Außerdem wird die Struktur hinsichtlich ihrer Aktivität in Niedersachsen betrachtet. Wir halten die Rechercheergebnisse für äußerst relevant und informativ, weshalb wir sie über diesen Weg zusätzlich bewerben wollen. Vielen Dank an die Genoss*innen für die kleinteilige Arbeit und die antifaschistische Aufklärung.
Um einen ersten Überblick zu bekommen, zitieren wir hier das Vorwort:
„Drei Jahre sind im Juli dieses Jahres seit dem Urteilsspruch im Prozess um den »Nationalsozialistischen Untergrund« (NSU) vergangen. Es ist geradezu unglaublich, mit welcher Konsequenz die Urteilsbegründung im Prozess um den NSU die These des isolierten Trios wiedergibt. Die vier Mitangeklagten von Beate Zschäpe sollen zwar Unterstützungshandlungen für die Drei begangen haben, aber von den Morden oder der Existenz des NSU nichts gewusst haben. Obwohl das »Blood & Honour«-Netzwerk die entscheidende Struktur im NSU-Netzwerk war, wird die Gruppe in der 3025 Seiten umfassenden Urteilsverkündung nicht ein einziges mal erwähnt. Vermutlich nicht ohne Grund, denn die Geschichte von »Blood & Honour« ließe sich nicht ohne Erwähnung der zahlreichen Verfassungsschutz-Spitzel innerhalb von »Blood & Honour« erzählen. Doch auch die explizite Erwähnung des Verfassungsschutzes galt es in der Urteilsbegründung zu vermeiden.
Im Dezember 2019 veröffentlichte das Niedersächsische Innenministerium ein Dossier mit Antworten auf eine Große Anfrage der Partei Bündnis 90/Die Grünen an die Landesregierung. Die Anfrage umfasste 104 Fragen über mögliche Verbindungen des NSU nach Niedersachsen. Obwohl etliche Spuren im NSU-Komplex in den Großraum Hannover führen, wurde in Niedersachsen kein NSU-Untersuchungsausschuss eingerichtet. Auch ansonsten wirkt das öffentliche Interesse bezüglich des NSU und der Neonaziszene in und um Hannover eher verhalten.
Die Antworten zur Anfrage basieren auf Daten des Verfassungsschutzes und verschiedener Polizeibehörden. Dementsprechend ernüchternd lesen sich an vielen Stellen die mit Verweis auf die üblichen Geheimhaltungsparagrafen versehenen Antworten. Besonders bedeckt halten sich die Behörden mit der Beantwortung aller Fragen in Bezug auf die ehemaligen »Blood & Honour«-Kader Johannes Knoch und Hannes Franke. Über ein Dutzend Fragen möchte der Verfassungsschutz lediglich in vertraulichen Sitzungen abhandeln.
Die vorliegende Broschüre beschäftigt sich mit genau diesen Strukturen des niedersächsischen »Blood & Honour«-Netzwerks, bei denen der Verfassungsschutz abblockt. Die Strukturen der ehemaligen Sektion Niedersachsen um Johannes Knoch und Hannes Franke haben bereits Anfang der 2000er Jahre Netzwerke aufgebaut, die Neonazis einen legalen Zugang zu scharfen Waffen und militärischem Know-How ermöglichen sollten. Vor allem antifaschistische Medien und Strukturen haben kontinuierlich über die Fortführung der alten Strukturen nach dem Verbot von »Blood & Honour« berichtet. Die Spuren führten in Reservistenkameradschaften, zu bewaffneten Wehrsportübungen, in die Kampfsportszene, zu Rockerclubs und Söldnern. Ohne diese Medien gäbe es vermutlich keinen einzigen Bericht über Johannes Knoch, der zur aktivsten Zeit des NSU in Waffengeschäfte verstrickt war und einen Hoheitsanspruch über Aktivitäten, die unter dem Label von »Blood & Honour« in Norddeutschland stattfanden, inne hatte. Dass es in Niedersachsen keinen Untersuchungsausschuss zum NSU-Komplexgab, mutet angesichts der vorliegenden Recherchen absurd an. Beim Niedersächsischen Verfassungsschutz war man indes vermutlich froh, dass viele unangenehme Fragen erst gar nicht gestellt wurden.
Der erste Teil der vorliegenden Broschüre beschäftigt sich mit der Geschichte der »Blood & Honour«-Sektion Niedersachsen und deren Akteur*innen. Besonderes Augenmerk wird hierbei auf alle Verbindungen zum NSU gelegt. Viele der Informationen sind sicherlich für belesene Antifaschist*innen nicht neu. Eine Zusammenstellung der Fakten in diesem Umfang hat es allerdings als Veröffentlichung bisher nicht gegeben.
Im zweiten Teil widmen wir uns dem weit verzweigten Firmennetzwerk der ehemaligen Akteur*innen um »Blood & Honour« Niedersachsen. Zu den Tattooläden »The Last Resort« in Hildesheim von Johannes Knoch und »Bulletproof« in Munster von Hannes Franke gab es bereits umfangreiche Veröffentlichungen. Sie werden deshalb nicht gesondert behandelt und tauchen nur beiläufig auf.
Im dritten Teil behandeln wir die Gruppe »Nordbund«, die seit 2017 um Johannes Knoch existiert. Die Gruppe, in der mehrere Mitglieder aus Militär- und Söldnerkreisen aktiv sind, erinnert in einigen Punkten stark an die Wehrsportschule, die Knoch mit weiteren Neonazis bis Mitte der 2000er Jahre betrieb. Die aktuelle Gruppe verfügt über Zugang zu scharfen Waffen und rekrutiert derzeit Nachwuchs in der Magdeburger
Hooliganszene um Knochs Sohn Lasse-Finn Riske.“